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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss verkündet am 13.03.2000
Aktenzeichen: 7 TaBV 36/99
Rechtsgebiete: GTV, MTV, ArbGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

GTV § 2
GTV § 2 Abs. 2 Satz 1
GTV § 2 Ziffer 2
GTV § 2 Ziffer 2 S. 1
GTV § 2 Ziffer 2 S. 2
GTV § 2 Ziffer 3
GTV § 2 Ziffer 4
GTV § 3
MTV § 3
MTV § 5
MTV § 8 Ziffer 2
MTV § 9
MTV § 9 Ziffer 1
MTV § 9 Ziffer 2
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 72 Abs. 2
ArbGG § 87 Abs. 1
ArbGG § 87 Abs. 2
ArbGG § 89
ArbGG § 92 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 518
ZPO § 519
BGB § 133
BGB § 157
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 06.07.1999 - 1 BV 894/99 - abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass die auf Dauer überwiegend an der Kasse Beschäftigten, die weder eine abgeschlossene Berufsausbildung, noch eine dreijährige Berufstätigkeit nachweisen können, in Gehaltsgruppe I GTV eingruppiert werden und nicht in Gehaltsgruppe III, selbst wenn eines der Beispiele der Gruppe III vorliegt.

2. Gegen diesen Beschluss wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Gründe:

I.

Mit dem vorliegenden Verfahren verfolgte die Antragstellerin zunächst die Zustimmungsersetzung zu den von ihr durchgeführten Eingruppierungen von Kassiererinnen in ihrem -Warenhaus in B . Antragsgegner ist der dortige Betriebsrat. Im Beschwerdeverfahren geht es um eine entsprechende Feststellung, nachdem die betroffenen Arbeiter/innen inzwischen ausgeschieden sind.

Die Antragstellerin beabsichtigte, im Frühjahr und Sommer 1999 insgesamt 17 Kassierer und Kassiererinnen im Rahmen eines Teilzeitarbeitsverhältnisses auf 630,00 DM-Basis bzw. für einen befristeten Zeitraum einzustellen. Die Kassierer/innen sollten dabei in Kassenzonen mit einer Verkaufsfläche von mehr als 400 m² beschäftigt werden. Die eingestellten Personen weisen weder eine entsprechende abgeschlossene Berufsausbildung, noch eine dreijährige Berufstätigkeit als Kassierer/in auf.

Die Antragstellerin teilte dem Antragsgegner jeweils ihre Absicht mit, die 17 Kassierer/innen in Gehaltsgruppe I, 1. Tätigkeitsjahr des Gehaltstarifvertrages für die Angestellten im Einzelhandel in Rheinland-Pfalz (GTV) einzugruppieren. Der Antragsgegner stimmte in allen Fällen der Einstellung zu, widersprach jedoch der Eingruppierung mit dem Hinweis darauf, dass die Kassierer/innen in Gehaltsgruppe III des Gehaltstarifvertrages einzugruppieren seien.

Die Antragstellerin hat vorgetragen,

nach ihrer Auffassung folge aus den Regelungen des § 2 Ziffer 2 -4 GTV dass die Eingruppierung von Arbeitnehmern in die Gehaltsgruppen II ff. nicht nur von der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit abhänge, sondern darüber hinaus zusätzlich an eine entsprechende dreijährige Berufsausübung bzw. Berufsausbildung geknüpft sei. Mangels Ausfüllung der in § 2 GTV genannten Voraussetzungen könnten die neu eingestellten Kassierer/innen deshalb nur die Gehaltsgruppe I beanspruchen, selbst wenn sie die in der Gehaltsgruppe III genannten Tätigkeiten ausübten. Ansonsten würde § 2 Ziffer 2 - 4 GTV leerlaufen. Weiterhin werde ihre Auffassung durch die Protokollnotiz zum Manteltarifvertrag für die Beschäftigten des Einzelhandels in Rheinland-Pfalz (MTV) vom 11.12.1994 zu § 8 Ziffer 2 MTV (dem heutigen § 9 Ziffer 2 MTV), wonach die Normen der geltenden Gehalts- und Lohntarifverträge durch die Bestimmung des § 8 Ziffer 2 MTV nicht berührt werden, gestützt. Schließlich sei die von dem Antragsgegner vertretene Auffassung im hohen Maße ausbildungsfeindlich, da jede ungelernte Kassiererin die gleiche Vergütung bekomme, wie ein 3 Jahre lang im Einzelhandel ausgebildeter junger Mensch, der danach als Kassierer eingestellt werde.

Die Antragstellerin hat beantragt,

die Zustimmung des Antragsgegners zur Eingruppierung in die Gehaltsgruppe I, erstes Tätigkeitsjahr des Rheinland-Pfälzischen GTV für den Einzelhandel zu ersetzen für

1. die am . . geborene Kassiererin Frau N

2. die am . . geborene Kassiererin Frau D

3. die am . . geborene Kassiererin M

4. die am . . geborene Kassiererin Frau M

5. die am . . geborene Kassiererin Frau D

6. den am . . geborenen Kassierer Herrn T

7. die am . . geborene Kassiererin K

8. die am . . geborene Kassiererin S

9. den am . . geborenen Kassierer W

10. den am . . geborenen Kassierer P

11. die am . . geborene Kassiererin Frau D

12. die am . . geborene Kassiererin Frau M

13. die am . . geborene Kassiererin Frau S

14. die am . . geborene Kassiererin Frau T

15. die am . . geborene Kassiererin Frau N

16. die am . . geborene Kassiererin Frau C

17. den am . . geborenen Kassierer Herrn T

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsgegner hat vorgetragen,

für die Eingruppierung der betroffenen Arbeitnehmer/innen in eine Gehaltsgruppe des GTV sei der Tätigkeitsbereich maßgebend. Insofern das im GTV aufgeführte Tätigkeitsbeispiel erfüllt werde, seien weitere Voraussetzungen für die Eingruppierung in die Gehaltsgruppe G III nicht mehr erforderlich. Die Ziffern 2 - 4 des § 2 GTV behandeln nach seiner Auffassung nur das Verhältnis zwischen den Gehaltsgruppen I und II. Nur für diese Beschäftigungsgruppen sei es von Bedeutung, ob jemand eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine dreijährige Berufstätigkeit zusätzlich zu der ausgeübten Tätigkeit nachweisen könne.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat den Antrag durch Beschluss vom 06.07.1999 zurückgewiesen. Hinsichtlich der Gründe der Entscheidung wird auf Blatt 50 bis 58 der Akte Bezug genommen.

Gegen den ihr am 03.09.1999 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin durch am (Montag, den) 04.10.1999 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Sie hat die Beschwerde durch am 06.12.1999 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor durch Beschluss vom 02.11.1999 die Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung auf Antrag der Antragstellerin bis zum 06.12.1999 einschließlich verlängert worden war.

Die Antragstellerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, dass davon auszugehen sei, dass der GTV, ebenso wie der MTV die Eingruppierung nicht nur von der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit abhängig mache, sondern zusätzlich noch von der einschlägigen Ausbildung oder Berufstätigkeit. Dies folge aus § 2 Ziffern 2 ff. GTV in Verbindung mit § 9 Ziffer 2, 5 MTV. Der Tarifvertrag in Rheinland-Pfalz folge damit einem bekannten Modell, welches auch in den Tarifverträgen des Einzelhandels der anderen Bundesländer zur Anwendung komme. Demzufolge könne eine ungelernte Kassiererin bei der Antragstellerin nur dann die Eingruppierung in Gruppe III GTV verlangen, wenn sie eine entsprechende einschlägige Berufstätigkeit darstellen könne. Wenn dies nicht der Fall sei, müsse sie gemäß § 2 Ziffer 2 Satz 2 in Verbindung mit Ziffer 3 GTV erst vier Jahre an der Kasse gearbeitet haben, um danach ab dem 5. Tätigkeitsjahr in Gruppe III aufzusteigen. Hinsichtlich der weiteren Begründung der Auffassung der Antragstellerin wird auf die Beschwerdebegründungsschrift (Bl. 81 - 85 d. A.) Bezug genommen.

Die Beschwerdeführerin hat zunächst angekündigt, zu beantragen,

1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 06.07.1999 - Az.: 1 BV 894/99 - wird abgeändert.

2. Es wird nach den Schlussanträgen aus dem ersten Rechtszug gem. Antragsschriftsatz vom 07.04.1999 nebst Antragserweiterungen vom 28.04.1999, 25.05.1999 sowie 30.06.1999 entschieden.

In der mündlichen Anhörung vor der Kammer am 13.03.2000 beantragt die Beschwerdeführerin nunmehr,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 16.07.1999 - 1 BV 894/99 - festzustellen, dass die auf Dauer überwiegend an der Kasse Beschäftigten, die weder eine abgeschlossene Berufsausbildung, noch eine dreijährige Berufstätigkeit nachweisen können, in Gehaltsgruppe I eingruppiert werden und nicht in Gehaltsgruppe III, selbst wenn eines der Beispiele der Gruppe III vorliegt.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Beschwerdegegner verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, dass im Hinblick auf die systematische Stellung der Eingruppierungsvorschriften und deren historische Entwicklung das Arbeitsgericht seine Auffassung überzeugend begründet habe. Hinsichtlich der weiteren Darstellung der Auffassung des Beschwerdegegners wird auf die Beschwerdeerwiderungsschrift vom 24.01.2000 (Bl. 88 - 90 d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Anhörung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen. Schließlich wird Bezug genommen auf die Feststellungen im Sitzungsprotokoll vom 13.03.2000.

II.

Das Rechtsmittel der Beschwerde ist nach §§ 87 Abs. 1, 2, 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Beschwerde ist gem. §§ 87 Abs. 2, 89, 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Das Rechtsmittel der Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Denn entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts kann die Beschwerdeführerin die Feststellung verlangen, dass die auf Dauerüberwiegend an der Kasse Beschäftigten, die weder eine abgeschlossene Berufsausbildung, noch eine dreijährige Berufstätigkeit nachweisen können, in Gehaltsgruppe I GTV eingruppiert werden und nicht in Gehaltsgruppe III, selbst wenn eines der Beispiele der Gruppe III vorliegt.

Gem. § 9 Ziffer 1 MTV werden die Gehalts- und Lohngruppen sowie die Tarifsätze in gesonderten Tarifverträgen geregelt. Gem. § 9 Ziffer 2 MTV erfolgt die Eingruppierung entsprechend der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit.

§§ 2, 3 GTV haben folgenden Wortlaut:

"§ 2 - Eingruppierung und Einstufung

1. Die Angestellten werden entsprechend ihrer Tätigkeit und unter Beachtung der Bestimmungen des § 9 MTV in eine der in § 3 aufgeführten Gehaltsgruppen eingruppiert.

2. Angestellte, die weder eine abgeschlossene Berufsausbildung noch eine dreijährige Berufstätigkeit nachweisen können, werden ab 01.05.1991 in das erste Tätigkeitsjahr der Gehaltsgruppe I eingruppiert. Ab dem 5. Tätigkeitsjahr erfolgt der Übergang in die Gehaltsgruppe II 4.

3. Angestellte mit einer der Tätigkeit entsprechenden zweijährigen Berufsausbildung werden nach bestandener Abschlussprüfung in das 1. Berufsjahr, Angestellte mit einer der Tätigkeit entsprechenden dreijährigen Berufsausbildung nach bestandener Abschlussprüfung in das 3. Berufsjahr der Gehaltsgruppe II eingestuft. Die davor liegenden Berufsjahre gelten als zurückgelegt.

4. Ungelernte Aushilfen mit bis zu drei Monaten befristeten Verträgen erhalten bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres 90 % der Gehaltsgruppe I.

§ 3 - Gehaltsgruppen

Gehaltsgruppe I

Angestellte mit einfacher kaufmännischer und/oder technischer Tätigkeit, die weder eine abgeschlossene Berufsausbildung noch eine dreijährige Berufstätigkeit nachweisen können.

Gehaltsgruppe II

Angestellte mit einfacher kaufmännischer und/oder technischer Tätigkeit, z.B. Verkaufen, Blumenbinden im Verkauf, einfache Kassiertätigkeit (z. B. Ladenkassiererin*), Kontrollieren an Packtischen, Stenotypist/in mit einfacher Tätigkeit, Telefonistin, Angestellte mit einfachen Tätigkeiten in den Bereichen Einkauf, Rechnungsprüfung, Warenannahme, Lager, Kalkulation, Versand, Buchhaltung, Lohnbuchhaltung, Kreditbüro, Statistik, Registratur, Dekoration, Plakatschreiber/in Kassierer/innen, deren Tätigkeit über die Anforderungen dieser Tarifgruppe hinausreicht, ohne die Anforderungen der folgenden Tarifgruppe zu erfüllen, erhalten eine Tätigkeitszulage von 100,00 DM.

Gehaltsgruppe III

Angestellte mit einer Tätigkeit, die erweiterte Fachkenntnisse und größere Verantwortung erfordert, z. B. Filialverwalter/in im Lebensmittel-, Tabakwaren- und Zeitschriftenhandel mit bis zu 3 unterstellten Arbeitnehmer/innen, 1. Verkäuferin, Lagererste, Kassierer/in mit höheren Anforderungen, Kassierer/in in Verbrauchermärkten, Stenotypistin mit erhöhten Anforderungen, Telefonist/in mit mehr als 3 zu bedienenden Amtsanschlüssen, selbständige Sachbearbeiter/in in den Bereichen:

Einkauf, Rechnungsprüfung, Warenannahme, Lager, Kalkulation, Versand, Buchhaltung, Lohnbuchhaltung, Kreditbüro, Statistik Schaugewerbegestalter/in arbeitet selbständig nach eigenen Entwürfen, Blumenbindermeister/in, Personalpförtner/in

Die für Kassierer/innen geforderten höheren Anforderungen werden in der Regel von Kassierer/innen erfüllt, die überwiegend in Kassenzonen von Lebensmittel-Supermärkten (ab 400 qm Verkaufsfläche) sowie an Sammelkassen beschäftigt sind. Kassen, die für mehrere Abteilungen zuständig sind und an denen Kassierer/innen ausschließlich beschäftigt werden, sind Sammelkassen gleichzusetzen."

Die Auslegung dieser Tarifnormen ergibt nach Auffassung der Kammer, dass die auf Dauer überwiegend an der Kasse Beschäftigten, die weder eine abgeschlossene Berufsausbildung, noch eine dreijährige Berufstätigkeit nachweisen können, in Gehaltsgruppe I eingruppiert werden und nicht in Gehaltsgruppe III, selbst wenn eines der Beispiele der Gruppe III vorliegt. Insoweit vermag die Kammer der sorgfältig begründeten Auffassung des Arbeitsgerichts nicht zu folgen.

Tarifnormen sind wie Gesetze auszulegen (BAG 12.09.1984 EzA § 1 TVG Auslegung Nr. 14). Zwar ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Dabei ist jedoch über den reinen Tarifwortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden habe. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, der häufig schon deswegen mit berücksichtigt werden muss, weil nur daraus und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Verbleiben hingegen bei der so vorgenommenen Auswertung des Tarifwortlauts und des tariflichen Gesamtzusammenhangs als den stets und in erster Linie heranzuziehenden Auslegungskriterien im Einzelfall noch Zweifel, so kann zur Ermittlung des wirklichen Willens der Tarifvertragsparteien auf weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, die praktische Tarifübung und die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages zurückgegriffen werden. Dabei gibt es jedoch für die Gerichte keine Bindung an eine bestimmte Reihenfolge bei der Heranziehung dieser weiteren Auslegungsmittel. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 12.09.1984 a.a.O.; BAG 16.05.1995 EzA § 4 TVG Wasser- und Umwelttechnik Nr. 1; vgl. ausführlich Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht - H.J. Dörner 6.1 Rd.-Ziffer 89 m.w.N.). Die "Auffassung der beteiligten Berufskreise" ist kein selbständiges Auslegungskriterium, weil es für sich allein keinen Schluss auf den Willen der Tarifvertragsparteien zulässt (BAG 24.02.1988 AP-Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Dachdecker). Die Einholung einer Auskunft der Tarifvertragsparteien ist jedenfalls dann kein Mittel zur Auslegung einer nicht eindeutigen Tarifnorm, wenn nach den vorstehenden Grundsätzen eine Tarifauslegung möglich ist (BAG 23.02.1994 AP-Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Kirchen). Weiter gilt der Grundsatz, dass von zwei möglichen Auslegungen einer Norm, deren eine zu einem verfassungswidrigen, die andere zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, die letztgenannte zu wählen ist. Die Tarifvertragsparteien wollen im Zweifel Regelungen treffen, die mit zwingendem Recht in Einklang stehen und deshalb Bestand haben (BAG 21.07.1993 EzA § 1 TVG Auslegung Nr. 28; vgl. Kasseler Handbuch für Arbeitsrecht H.J. Dörner Rd.-Ziffer 90 ff. m.w.N.).

Ausgehend von diesen Auslegungskriterien sind die Mitarbeiter/innen, die über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen, für die Dauer der ersten drei Jahre ihrer Berufstätigkeit nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GTV in die Gehaltsgruppe I einzugruppieren. Weder im maßgeblichen Einstellungszeitpunkt, noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts hatten die Mitarbeiter/innen eine dreijährige Berufstätigkeit im Einzelhandel zurückgelegt, bzw. eine entsprechende Berufsausbildung absolviert, so dass das Verlangen des Betriebsrats auf eine Eingruppierung nach der Gehaltsgruppe III GTV tarifwidrig íst.

Die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz hat im Beschluss vom 21.09.1999 (2 TaBV 11/99) hinsichtlich der hier maßgeblichen Problematik ausgeführt:

"Nach dem Wortlaut von § 2 Ziff. 2 S. 1 werden Angestellte, die weder eine abgeschlossene Berufsausbildung noch eine dreijährige Berufstätigkeit nachweisen können, in das erste Tätigkeitsjahr der Gehaltsgruppe I eingruppiert. Diese tarifliche Regelung enthält nach ihrem Wortlaut keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie sich einschränkend nur auf die Gehaltsgruppen I und II von § 3 GTV bezieht. Während frühere tarifliche Regelungen von § 2 Ziff. 2 (z.B. Gehaltstarifvertrag Einzelhandel vom 18.08.1981; vgl. BAG, Urt. v.08.02.1984, AP Nr. 3 zu § 1 TVG -Tarifverträge: Einzelhandel-) in der dortigen Fassung von § 2 Ziff. 2 GTV noch wenigstens in einem Satz 2 den Hinweis auf die Gehaltsgruppe I enthalten haben, ist die Gehaltsgruppe I in dem hier maßgeblichen Tarifwortlaut lediglich noch auf der Rechtsfolgenseite erwähnt, nicht mehr jedoch auf der Tatbestandsseite. Demgegenüber bestimmt § 2 Ziff. 2 S. 1 GTV in der im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Fassung ohne jegliche Einschränkung, dass solche Beschäftigte, die über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen oder keine dreijährige Berufstätigkeit nachweisen können, in die Gehaltsgruppe I eingruppiert werden. Soweit der Betriebsrat den Geltungsbereich dieser tariflichen Regelung auf die Gehaltsgruppen I und II dadurch einzuengen versucht, dass er auf die Unterscheidungsmerkmale der Gehaltsgruppen I und II von § 3 GTV hinweist, führt dies zu keiner anderen Auslegung. Zutreffend geht zwar der Betriebsrat davon aus, dass sowohl in der Gehaltsgruppe I als auch in der Gehaltsgruppe II jeweils nur Angestellte mit einfacher und/oder technischer Tätigkeit eingruppiert werden. Eine Differenzierung ist lediglich bezüglich einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder einer dreijährigen Berufstätigkeit vorzunehmen. Insoweit bedienen sich die Tarifvertragsparteien der gleichen Terminologie wie sie sie auch in § 2 Ziff. 2 S. 1 GTV verwendet haben. Demgegenüber finden sich die Kriterien der Berufsausbildung oder einer zeitlich bestimmten Berufstätigkeit in den Gehaltsgruppen II bis V GTV nicht mehr. Dort wird allein auf die ausgeübte Tätigkeit in ihrer jeweils qualifizierten Form abgestellt.

Hätte es aber dem Willen der Tarifvertragsparteien entsprochen, in § 2 Ziff. 2 lediglich Sonderregelungen für die Beschäftigten der Gehaltsgruppen I und II GTV treffen zu wollen, dann wäre die vorgenommene Unterscheidung zwischen den Gehaltsgruppen I und II in § 3 GTV, die allein auf die abgeschlossene Berufsausbildung oder eine dreijährige Berufstätigkeit vorzunehmen ist, überflüssig. Die Tarifvertragsparteien hätten dann allein bestimmen können, dass in die Gehaltsgruppen I und II Angestellte mit einfacher kaufmännischer und/oder technischer Tätigkeit einzustufen sind. In welche dieser Gehaltsgruppen sie einzugruppieren sind, hätte sich dann aus § 2 Ziff. 2 GTV ergeben. Für eine derartige Einschränkung spricht weder der Tarifwortlaut noch der tarifliche Gesamtzusammenhang. Die Tarifvertragsparteien unterscheiden bezüglich des einschränkenden Personenkreises von § 2 Ziff. 2 S. 1 einmal nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung, zum Anderen aber auch nach einer dreijährigen Berufstätigkeit. Den Sonderregelungen von § 2 Ziff. 2 GTV, die systematisch vor den allgemeinen Regelungen der Gehaltsgruppen in § 3 stehen, also - wie der Arbeitgeber im vorliegenden Verfahren zutreffend ausführt - "vor der Klammer" stehen, kann somit der Wille der Tarifvertragsparteien entnommen werden, dass eingruppierungsmäßig in den Anfangsjahren der Berufstätigkeit eine abgeschlossene Berufsausbildung einer dreijährigen Berufstätigkeit gleichsteht. Hat ein Beschäftigter/eine Beschäftigte des Einzelhandels, der/die über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, jedoch eine dreijährige Berufstätigkeit zurückgelegt, dann hat sie eingruppierungsmäßig die allgemeine Schranke von § 2 Ziff. 2 S. 1 durchlaufen. Ihre Eingruppierung richtet sich dann allein noch nach den allgemeinen Kriterien der verschiedenen Gehaltsgruppen von § 3 MTV. Übt der/die Beschäftigte keine Tätigkeit der Gehaltsgruppen III bis V GTV aus, dann bestimmt § 2 Ziff. 2 S. 2 GTV, dass jedenfalls ab dem 5. Tätigkeitsjahr der Übergang in die Gehaltsgruppe II 4 stattfindet. Diese ergänzende Regelung in S. 2 von § 2 Ziff. 2 kann sich somit nur auf solche Angestellte beziehen, die über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen und keine dreijährige Berufstätigkeit nachweisen können.

Entgegen der Rechtsauffassung des Betriebsrates ist es daher nicht richtig, dass bei der hier vorgenommenen Tarifauslegung Beschäftigte, die unter § 2 Ziff. 2 S. 1 GTV fallen, stets nur in die Gehaltsgruppe I GTV eingruppiert wären. Die dort vorgenommene Eingruppierungssperre bezieht sich nach dem eindeutigen Wortlaut des Tarifvertrages nur auf die ersten drei Jahre der Berufstätigkeit.

Sinn und Zweck dieser tariflichen Regelung ist erkennbar und einleuchtend. Angestellte mit einer Berufsausbildung sollen nach dem Willen beider Tarifvertragsparteien eingruppierungsmäßig von Anfang an entsprechend ihrer einschlägigen Ausbildung und Tätigkeit durch Eingruppierung oberhalb der Gehaltsgruppe I GTV "belohnt" werden. Demgegenüber sollen solche Beschäftigte, die über keine Berufsausbildung verfügen und auch keine einschlägigen Tätigkeiten im Einzelhandel ausgeführt haben, eingruppierungsmäßig den Mitarbeitern mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung erst nach einer einschlägigen zeitlichen Tätigkeit von drei Jahren gleichgestellt werden.

Führen somit der Tarifwortlaut und ergänzend auch die Systematik der tariflichen Regelungen bereits zu einer eindeutigen Auslegung des Tarifvertrages, dann ist auf die Tarifgeschichte ergänzend nicht mehr abzustellen.

Ist eine eindeutige Tarifauslegung nach den allgemeinen Auslegungskriterien möglich, bedarf es keiner Einholung von Auskünften der Tarifvertragsparteien, weil Tarifverträge wie Gesetze und nicht wie Verträge gem. §§ 133, 157 BGB auszulegen sind (BAG v. 25.08.1982 - 4 AZR 1064/79 -, DB 1982, 2574)."

Die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz schließt sich dieser Auffassung der 2. Kammer uneingeschränkt an.

Damit bestehen nach der Auslegung der maßgeblichen Tarifnormen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, davon auszugehen, dass auf Dauer überwiegend an der Kasse Beschäftigte, die weder eine abgeschlossene Berufsausbildung, noch eine dreijährige Berufstätigkeit nachweisen können, in die Gehaltsgruppe III GTV eingruppiert werden, wie es der Auffassung des Betriebsrats entspricht. Wären die Arbeitsverhältnisse zwischen den beteiligten Arbeitnehmern und der Antragstellerin/Beschwerdeführerin nichtzwischenzeitlich beendet, wäre folglich jeweils die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung zu ersetzen gewesen.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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